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Besessenheit in der Bibel aus der Sicht eines Psychiaters

Lies Markus 1, Verse 21 - 45.

„In der Synagoge war ein Mann, der von einem bösen Geist besessen war. Er fing an zu rufen: »Was willst du von uns, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, um uns zu vernichten? Ich weiß, wer du bist - der Heilige Gottes, den er gesandt hat!« »Schweig!«, herrschte Jesus ihn an. »Verlass diesen Mann.« Da schüttelte der böse Geist den Mann hin und her, schrie auf und verließ ihn. Staunen erfasste die Zuschauer, und sie redeten untereinander darüber.“ (Mk 1,23-27)

Besonders im Markusevangelium gibt es spektakuläre Berichte darüber, wie Krankheiten durch Jesus‘ Handeln verschwinden. Zum Teil können diese Kranken bis heute nicht geheilt werden, wie zum Beispiel Gehunfähige, Verstümmelte (z.B. durch Lepra), Blindgeborene. Daran sah man, dass Gott in Jesus am Wirken war. Denn weil Gott der Schöpfer des Universums ist und es auch für die Entstehung der ersten lebendigen Zelle auf der Welt keine andere Erklärung gibt, ist es logischerweise möglich immer wieder Leben neu zu schaffen. Das betrifft auch die abgestoßenen Glieder eines Aussätzigen oder die Funktionsstörung von Zellen oder Organen.

Was ist aber ein „Besessener“? - Wie ein besetztes Land, so unterliegt auch ein besessener Mensch einer Fremdherrschaft. Er kann nicht immer tun, was er will. Teilweise müssen besessene Menschen sogar gegen ihren eigenen Willen agieren. Das macht sie selbst und ihre Umgebung unsicher und führt zu starken Ängsten.

Der Evangelist Markus unterschied damals zwischen Kranken und Besessenen (V.32). Denn Besessenheit ist eigentlich keine Krankheit. Auch heute nehmen Psychiater deutlich wahr, dass solche Erscheinungen keine Stoffwechselkrankheit im Sinne von Psychosen (z. B. Schizophrenie) sind. Denn Behandlungsversuche mit Psychopharmaka führen nicht zu einer Heilung des Patienten.

Diese Menschen reagieren auf Ansprache meist normal, zerstören aber, ohne es zu wollen, ihr Leben, ihre Familie und ihre sozialen Beziehungen. Symptome sind zum Beispiel, wenn eine Mutter eins ihrer Kinder hassen muss, wenn böse Übergriffe zustande kommen in einer Familie oder beängstigende Aggressionen auftreten. Viele dieser Menschen leiden unter Selbstmorddrang und haben eine unnatürlich starke Todesangst. Auch in der Bibel wird diese Suizidalität beispielsweise in Mk 5,1-20 oder Mk 9,14 ff erwähnt.

Ein guter Freund konnte vor Einfahrt des Zuges nicht auf den Bahnsteig gehen, da er einen starken Drang verspürte sich vor die Lok zu werfen. Lange war nicht klar, woher diese innere Tendenz kam. Eines Tages bekannte er, dass er in Kriegsgefangenschaft sich durch einen Kartenleger die Zukunft hatte vorhersagen lassen wollen. Obwohl dies gar nicht erfolgte, bat er Jesus in einem seelsorgerlichen Gespräch dafür um Vergebung und um Befreiung. Sein Todesdrang verschwand sofort und für immer.

Vor Okkultem, wie Wahrsagen, der Befragung von Totengeistern und Magie, wird in der Bibel gewarnt und dies den Israeliten verboten (5. Mose 18,10). Durch solche Praktiken entstehen Verträge mit der unsichtbaren „Unterwelt“, sodass finstere Mächte Einfluss auf das Leben nehmen können. Der Evangelist Markus nennt sie „unreine“ oder „böse Geister“. Diese fürchten keinen Menschen, wohl aber Gott und „den Heiligen Gottes“ (Vers 24).

Als Nervenarzt musste ich bestürzt feststellen, dass auch heute viele Menschen solche „Verträge mit der Unterwelt“ geschlossen haben. Meist geschah das unbewusst, indem sie oder ihre Vorfahren die Hilfe dieser Mächte in Anspruch nahmen. Ihre Nöte in Form von starken Ängsten, Depressionen oder Unruhe können nicht durch psychiatrische Behandlung oder Psychotherapie beseitigt werden. Befreiung und Heilung geschieht jedoch durch die Begegnung mit Jesus Christus. Damals, zu den Zeiten von Petrus und Markus, war Jesus als Sohn Gottes leibhaftig anwesend. Wie Markus beschreibt, befreite Jesus viele von ihrer Besessenheit. Auch heute ist Jesus dort gegenwärtig, wo zwei oder drei Christen „in seinem Namen versammelt sind“ und zu ihm beten (Matthäus 18, 20). Als Psychiater erlebe ich, wie heute in dieser Gegenwart von Jesus Christus immer wieder versklavte Menschen von ihrer Drogen- oder Alkoholsucht, von Ängsten oder Getriebenheit geheilt werden. Rückblickend beschreiben viele diese Veränderung so, als wären sie von Neuem geboren worden. In christlicher Gemeinschaft und in der Begegnung mit Jesus Christus lernen sie ein völlig anderes und dankbares Leben zu führen.

Dr. med. Stephan Gerhardt. Arzt für Psychiatrie und Neurologie. Ehemaliger Chefarzt im Diakonie-Krankenhaus Harz in Elbingerode