Zum Inhalt springen

KAPITEL B: LUKAS 7,36-50

Warum Christ werden - genügt es nicht, ein guter Mensch zu sein?
Zweifellos kann man ein guter Mensch sein, ohne Christ zu sein. Das ist ein Erfahrungswert. Damit ist aber noch nicht die Wahrheitsfrage beantwortet: Ist dieser Gott lebendig oder nicht? Ist etwas dran an den Verheißungen des Glaubens oder nicht?

Denn darum geht es schließlich im christlichen Glauben: Nicht um die religiöse Verbrämung eines integren Lebens (so wünschenswert ein solches Leben ist), sondern um die Beziehung mit Gott und seiner lebendigen Wirklichkeit. Diese Beziehung hat Auswirkungen auch auf unser Verhalten; für sich genommen sind diese Auswirkungen aber noch keineswegs "die Sache selbst". Kein noch so vorbildliches Leben kann die Beziehung mit Gott ersetzen oder die Trennung von Gott aufheben.

Das kann - aus christlicher Sicht - nur die Gnade Gottes in Jesus Christus. Dass nach Aussage der Bibel jeder Mensch Sünder ist, meint also keine pauschale moralische Abwertung, sondern die Störung der Gottesbeziehung aller Menschen, die viel tiefer liegt. Diese Unterscheidung ist wichtig.

Ist das nicht intolerant?
Der Einwand kann den Einzigartigkeitsanspruch von Jesus meinen oder überhaupt das Bemühen von Christen, andere von dem zu überzeugen, was sie als wahr ansehen. Der Vorwurf beruht allerdings auf einem Missverständnis von Toleranz. Tolerare (lat.) bedeutet erdulden, aushalten. Toleranz heißt also nicht, die eigene Überzeugung zurückzustellen, sondern sie durchaus zu vertreten - und dabei auszuhalten, dass ein anderer eine andere Überzeugung vertritt.

Toleranz meint die Beziehungs- und nicht die Sachebene: Selbstverständlich begegne ich jedem Menschen mit Respekt und Wertschätzung, unabhängig von seinen Überzeugungen. Das heißt aber nicht, dass ich meine eigenen Überzeugungen relativiere.

So verstanden ist Toleranz ein zentraler christlicher Wert. Christen sind dazu aufgerufen, die Liebe Gottes jedem Menschen entgegenzubringen. Zugleich aber setzen sie alles daran, ihn mit diesem Gott bekannt zu machen: Freundlich, respektvoll, ohne jeden Druck; denn Glaube kann ja nur in Freiheit wachsen. Angehörige anderer Religionen, die einen ähnlich starken Wahrheitsanspruch vertreten, können gerade das oft sehr gut nachvollziehen. Die Kernaussagen des Evangeliums und des Islam widersprechen einander nun einmal, sie können nicht gleichzeitig wahr sein. Gerade wenn das anerkannt wird, kann das Gespräch von Christen und Muslimen über den Glauben sehr fruchtbar und in gegenseitigem Respekt verlaufen. Das ist auch meine eigene Erfahrung.